Schrebergarten – spießige Kleingartenkultur oder hipper Großstadtkult

Neben Schäferhund und Wackeldackel gab es bis vor kurzem nur noch eine Steigerung des deutschen Spießertums: den Schrebergarten. Doch das Image der Laubenkolonien hat sich dramatisch gewandelt – Gärtnern in der Großstadt ist beliebt wie nie.

Einst kauzig und kleinkariert…

Der Kleingärtner galt gemeinhin als ein wenig sonderbar. Man sagte ihm eine merkwürdige Vorliebe für Geschmacksverfehlungen nach und machte sich über seine Liebe zu Gartenzwergen und akkurat gezirkelte Rasenkanten lustig. Der Laubenpieper pflegte nicht nur seine Parzelle mit dem pedantischen Ehrgeiz eines deutschen Beamten, sondern hegte zugleich auch einen beinahe krankhaften Argwohn gegenüber seinen lieben Nachbarn hinter der Buchsbaumhecke.

Spielende Kinder waren ihm von jeher ein Dorn im Auge - eine latente Bedrohung für die kostbaren Edelrosen am schmiedeeisernen Spalier. Seine sorgsam gehüteten Salatköpfe bewachte er Tag und Nacht gewissenhaft - nötigenfalls auch mit dem Schrotgewehr im Anschlag. Und falls sich ein unbedarfter Neuling erdreistete, den Rasenmäher während der Mittagsruhe anzuwerfen, stand sofort ein hurtig alarmierter Vereinsmächtiger parat, um den Übeltäter mit der Trillerpfeife abzumahnen.

…heute kunterbunt und kultig

Doch mit einem Male ist Schrebergärtnern nicht mehr kleinbürgerlich, sondern schön-spießig. Die Lauben werden bunter, ihre Bewohner jünger und viele längst überlebte Vorschriften gehören inzwischen glücklicherweise der Vergangenheit an. Lag das Durchschnittsalter früher noch bei ca. 60 Jahren, sinkt es heute dramatisch: etwa die Hälfte der Gärten geht inzwischen an junge Familien mit kleinen Kindern und die Wartelisten für das kleine Stückchen Grün sind endlos lang.

Der Ehrgeiz der nächsten Generation gilt dem Bio-Anbau und viele Kolonien schreiben sich heute lieber die „naturnahe Bewirtschaftung“ ins Vereinsbuch als die Höhe der Edel-Konifere mit dem Metermaß zu protokollieren.

Von der Renter-Oase zur Öko-Nische

Die neuen Schrebergärtner sind hippe Großstadtbewohner - sie genießen vor allem die Muße in der Hängematte vor der urigen Laube im grünen Vorstadtgürtel. Wenn das in liebevoller Kleinarbeit auf handverlesenem Kompost gezüchtete Gemüse der Schneckenplage zum Opfer fällt, wird eben im Bio-Laden nachgekauft. Unkräuter werden zu wertvollen Heilkräutern deklariert oder wie die Rauke urplötzlich unter neuem Namen als gesundes Gourmetgemüse gepriesen. Denn jeder noch so kleine Garten in der Betonwüste ist heute sowieso ein erster Schritt auf dem Weg in eine bessere Welt.